Krummel, Theora

Sie sehen nicht das, was Sie sehen

Zum ersten Mal stellen der Lippstädter Kunstverein und der Förderverein der Jakobikirche gemeinsam aus. Es ist die erste Ausstellung in Lippstadt seit der Corona-Krise, die mit einer offiziellen Eröffnung beginnt. Ursula Commandeur, Jae-Eun Jung, Sabrina Podemski und Philipp Uthmann haben die Einladung angenommen und stellen ihre Werke an zwei Standorten aus.

Beitrag von Helga Wissing im Lippstädter Patrioten. Wiedergabe hier mit freundlicher Genehmigung. Link für Abonnenten:
www.derpatriot.de/artikel/kultur/sie-sehen-nicht-das-was-sie-sehen.html

„Positionen – 2 – Wege“ ist diese Ausstellung betitelt. Die Veranstaltung beginnt in der
Jakobikirche, die sich zusehends füllt. 60 Gäste seien erlaubt, erklärt Dagmar Liebscher, die Vorsitzende des Fördervereins Jakobikirche. Ein wenig mehr sind es nach grober Schätzung allerdings schon, und bereits nach kurzer Zeit muss eine Mitarbeiterin im Foyer weiteren Besuchern den Eintritt verweigern.

Es sei ein Wagnis, zwei Künstlerinnen verschiedener Genres gemeinsam auszustellen, zumal, wenn sie einander nicht kennen, erklärt Lore Liebelt, die in der Jakobikirche die Einführung übernimmt. Gemeint sind Jae-Eun Jung, die sich nicht nur in Lippstadt mit ihrer Kunst bereits hervorragend etabliert hat, sowie Ursula Commandeur aus Castrop-Rauxel, die neun keramische Plastiken präsentiert.

„Jae-Eun Jungs Bilder erschließen sich nicht auf den ersten Blick. Wir sehen Alltagsgegenstände, gemalt in aquarelligem Duktus, wobei alle Bilder entweder in Öl oder Acryl auf Leinwand gemalt wurden“, beschreibt Liebelt die wunderbar zarten Bilder der gebürtigen Koreanerin, die ausschließlich Gegenstände zeigen, wie gedeckte Tische oder anmutig abgelegte Schuhe, niemals Menschen, die den Ort allerdings gerade erst verlassen zu haben scheinen.

„Wesentlich handfester“, so Lore Liebelt, seien die Objekte von Ursula Commandeur. „Hart und spröde ist ihr Material, einzelne, oft auch in Serie erstellte Glieder, von Drähten beweglich zusammengehalten“, beschreibt sie die Plastiken, die dennoch seltsam fragil und zerbrechlich wirken und auf faszinierende Art mit den Werken von Jae-Eun Jung korrespondieren.

Die beiden Künstlerinnen sind an diesem Abend nicht anwesend, im Gegensatz zu der Düsseldorferin Sabrina Podemski und dem Lippstädter Philipp Uthmann, die in den Räumen des Kunstvereins ihre Werke zeigen. Auch hier nutzen zahlreiche Besucher die Gelegenheit, endlich wieder „analog“ Kultur zu erleben. Auch hier tragen die meisten nicht nur Schutzmasken, sondern sich auch brav in die Adressliste ein. Die Freude über die wieder gewonnene Freiheit lässt manchen aber die Vorsicht vergessen, ein einziger, recht schmaler Eingang zum Ausstellungsraum sorgt für mitunter hautnahe Berührung. Der Kunstvereinsvorsitzende Franz-Josef Laforet und Professor Erich Franz bitten zumindest für sich selbst um Abstand, bevor Letzterer eine sehr ausführliche Einführung in das Werk der beiden jungen Künstler gibt.

„Verstehen heißt sich einzulassen auf das Unzusammenhängende“, beschreibt er, wie beispielsweise in Podemskis Collagen aus analogem, malerischem und digitalem Bildmaterial einzelne Fragmente zunächst klar deutbar erscheinen, sich im Zusammenhang aber wieder verändern und auflösen. Es klingt fast fernöstlich-philosophisch, wenn er sagt: „Das was Sie sehen, ist ganz sicher nicht das, was Sie sehen.“

Im Gegensatz dazu scheinen Philipp Uthmanns Arbeiten zunächst einfach verständlich. An einer Wand sind beispielsweise bedeutsame Zahlen aus dem Jahr 2020 zu lesen. Unter anderem Flüchtlingszahlen, Autounfälle, Terroranschläge. Doch es gibt auch einander widersprechende Zahlen. „Wirklich verständlich?“, richtet Erich Franz daher die rhetorische Frage ans Publikum.

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